Dienstag, 15. Oktober 2013

Bens Traum Kapitel 12


"Herr Doktor, haben Sie einen Moment?", fragte die besorgt dreinblickende Frau den vorbeilaufenden Arzt. Sie hatte einen grünen Kittel über ihrer Kleidung und das Haar wurde von einer OP-Haube bedeckt. Sie stand am Bett ihres Sohnes. Monitore und eine Unzahl von Geräten ließen den kleinen Körper fast verschwinden.



"Moment, Frau Engel, ich muss erst mal einen anderen Patienten versorgen. Ich bin gleich bei ihnen.", antwortete der Arzt und lief dabei weiter.
Die Frau war das hektische Treiben auf der Intensivstation schon fast gewöhnt, seit ihr Sohn vor zehn Tagen eingeliefert wurde. Selbst Nachts herrschte hier normale Betriebsamkeit. Nur am abgedunkelten Licht konnte man den Unterschied zwischen Tag und Nacht erkennen. Ein Pfleger betrat das Zimmer. "Zeit, ihren Sohn frisch zu machen. Macht es ihnen was aus, mir zu helfen?", sagte er mit ruhiger, fester Stimme.
"Ich will aber nichts falsch machen", sagte die Frau.
"Ich bin doch dabei. Übrigens, ich bin Pfleger Tom."
"Angenehm, Ilona.", sagte die Frau und hielt ihre Hand zur Begrüßung hin.
Der Pfleger nahm den Pflegewagen, der an der Seite stand und ignorierte die Hand. Die Frau ließ die Hand wieder sinken. "Wie kann ich ihnen helfen?", fragte sie.
"Es reicht, wenn sie zusehen und mir etwas zur Hand gehen. Auch wenn ihr Sohn sehr dünn ist, wiegt er doch schon eine Kleinigkeit.", sagte Tom und schlug die Bettdecke zurück. "Wir machen dich jetzt sauber, Benjamin, deine Mama ist auch da.", sagte er zu dem komatösen Körper, der unter der Decke lag. "Es hilft, wenn wir den Patienten erklären, was wir machen.", erklärte er Ilona.
Der Junge zeigte keine Reaktion. Nur seine Augen bewegten sich unter den geschlossenen Lidern hin und her.
Tom hob das Hemdchen an, damit der Unterkörper frei lag. Die Windel hatte sich verfärbt, die Nässeindikatoren waren nicht mehr zu sehen. "Oh, da war aber jemand fleißig.", sagte Tom, nun wieder Benjamin zugewandt. Er öffnete die Klebestreifen und schlug das Oberteil der Windel zurück. Eine Mischung auf Schweiß, Urin und Kot entwich in die Luft. "Bitte drehen sie ihren Sohn mal auf die Seite.", sagte Tom und griff unter das Becken, um der Mutter zu helfen. Er zog die Windel weg und warf sie in den Müllbeutel am Pflegewagen. Dann wischte er mit einem Einmalwaschlappen den Po sauber. Es waren nur wenige Kotspuren, die Sondenkost hinterließ nicht viel, was den Körper verlassen musste.
"Puh, ganz schöne Marke.", kommentierte Tom den nun intensiven Geruch und säuberte weiter das Hinterteil des regungslosen Jungen. Er nahm eine neue Windel und schob sie unter den Körper. "Moment noch, Hautpflege.", sagte er kurz und wandte sich wieder dem Jungen zu. "Ich creme dich noch kurz ein, damit deine Haut nicht krank wird. Kann kurz kalt werden.".
Er hatte keine Reaktion erwartet und doch schluckte Benjamin genau in dem Augenblick, als wolle er diese Information bestätigen. Die Mutter sah es auch und reagierte mit freudiger Überraschung. "Er hat geschluckt, haben sie das gesehen, Tom?", sagte sie mit beinahe hysterischer Stimme.
"Das ist normal. Ein gutes Zeichen, dass der Schluckreflex noch funktioniert.", sagte er, während er eine Wundschutzcreme großzügig im Windelbereich verteilte. Die Haut wirkte leicht gerötet. "Ja, das ist echt nötig.", sagte Tom, mehr zu sich selbst. Dann stellte er sich wieder hin. "So, sie können loslassen, ich habe ihn.", sagte er zu Ilona.
Benjamin's Körper rollte wie selbstverständlich in die Rückenlage zurück. Tom legte die Arme wieder korrekt an die Seite, brachte die Beine in eine leicht gespreizte Position und verschloss die Windel. Dann zog er das Hemdchen wieder runter, positionierte die Beine richtig und deckte den Körper wieder zu.
Ganz automatisch ging sein Blick auf die Monitore, wo eine Linie die Herzfunktion anzeigte. Alle Werte waren in Ordnung, mal von dem Umstand abgesehen, dass der Patient im Koma lag.
"Benjamin, wir sind fertig.", sagte er und wandte sich wieder der Mutter zu.
"Wir betreuen ihren Sohn, bis er wieder fit ist. Keine Sorge, er ist in guten Händen.", sagte er.
"Ja, ich weiß. Aber er ist nun schon zehn Tage hier und immer noch kein Zeichen von Besserung.", sagte sie.
"Manche Verletzungen brauchen sehr lange. Die Verletzungen durch den Sturz waren schwer. Er bekommt die Zeit, die er braucht, um wieder aufzuwachen. Danach werden wir weiter sehen. Hat der Arzt schon mit ihnen gesprochen?", fragte er.
"Nein, der Arzt ist vorhin vorbeigegangen, er wollte dann noch einmal reinschauen.", sagte Ilona.
"Wenn sie etwas brauchen, klingeln sie ruhig.", sagte Tom und verließ das Zimmer. Den Pflegewagen hatte er wieder an der Seite abgestellt.

***

"Wach auf!", sagte eine erschrocken klingende Stimme. Warme Wassertropfen benetzten meinen Körper und ich spürte den harten Boden der Dusche unter mir. "Ben, wach auf!", sagte die Stimme wieder, nur noch spitzer und schriller.
"Was ist denn...", mischte sich eine zweite Stimme ein, erstarb aber mitten im Satz. Schnelle Schritte näherten sich. "Geh zur Seite, lass mich ran.", sagte die Frauenstimme. "Und ruf noch eine Schwester, Thomas.", sagte die Frauenstimme.
Ich blinzelte, während mich eine Hand im Gesicht tätschelte. "Komm zu dir, Ben! Kannst du mich hören."
Ich blinzelte weiter und brauchte einen Moment, um mich zu orientieren. Der Regen hörte auf und ich konnte die Umrisse der Duschkabine erkennen. "Dir ist wohl schlecht geworden?", fragte die Schwester, während sie mir den Puls fühlte. Ich lag immer noch zusammengekauert in der Dusche, meine Erinnerungen kamen langsam wieder. Thomas war in meine Dusche gekommen und hatte mir den Rücken eingeseift. Mehr wusste ich auch nicht mehr.
Thomas kam in Begleitung einer Schwester ins Bad, das Handtuch wieder um die Hüften geschlungen. "Er ist wohl ausgerutscht, ich hab's nur poltern hören.", sagte er hektisch.
"Sein Puls ist ziemlich schnell, hol mal einen Arzt und eine Trage.", sagte die Schwester zu ihrer Kollegin. Dann schob sie ihre Hand unter meinen Hals und hob mich an. "Setz dich mal hin.", kommentierte sie ihr Handeln.
Der Fußboden der Dusche war rutschig und ich immer noch nicht ganz wach. Ehr tapsig folgte ich ihrer Hilfestellung in eine sitzende Position. Die Beine lagen abgewinkelt an meiner rechten Seite, ich stütze mich mit der linken Hand ab und lehnte die Schulter an die Fließen. Ich war immer noch benommen, konnte mich nicht an den Grund für den Sturz erinnern. Selbst die Rückenwaschnummer erschien mir wie im Traum und ich konnte nicht sagen, ob es Traum oder Wirklichkeit war. Ich spürte meinen immer noch schnellen Herzschlag und auch meine Atmung zeigte körperliche Höchstleistung an. Thomas reichte mir mein Handtuch und ich bedeckte meine Hüfte damit.
"OK, dein Schamgefühl ist schon wieder da, dann passt's ja.", sagte die Schwester mit scherzhaftem Unterton.
"Dr. Friederich kommt, brauchst du noch Hilfe?", fragte die Schwester.
"Nein, hat sich erledigt, er ist schon wieder fit. Ich fahr ihn mit dem Rollstuhl rüber."
Thomas, der die ganze Zeit gespannt mitgehört hatte, holte den Rollstuhl aus der Ecke. Es war ein einfaches Klappmodell mit dunkelblauem Kunstleder. "Innere Medizin" stand auf der Rückenlehne, mit Pflaster befestigt. Die Schwester half mir auf die Beine und das Handtuch fiel wieder auf den Boden. Viel zu aufmerksam bückte sich Thomas danach, hob es auf und legte es auf den Rollstuhl. Ich setzte mich hin und fühlte mich wie nach einem Marathon. Schnaufend sog ich die Luft ein und machte mir gar keine Gedanken über mein Outfit. Mit dem Overall, den ich vorhin auf den Boden geworfen hatte, bedeckte ich nun meine Scham und kaum war meine Intimsphäre notdürftig hergestellt, ging die Fahrt los. Im Zimmer angekommen, half mir die Schwester in mein Bett. Sie fühlte nochmals den Puls. "Er normalisiert sich schon wieder. Bleib bitte liegen, der Doktor schaut gleich nach dir.", sagte sie.
Ich deckte mich zu. Eine frische Windel hatte ich noch nicht bekommen, meine Kleidung von gestern war in der Waschmachine. Den Pflegebody konnte ich mir allein nicht anziehen. Also blieb ich nackt in meinem Bett liegen und kramte in meinen Erinnerungen. Was war bloß passiert?

Eingesendet per E-Mail. Vielen lieben Dank!

2 Kommentare:

  1. mach mal die Geschichten länger. pls.
    thx.
    :D

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  2. Boah, du bist scheiße! Ich weiß ganz genau wie das am Ende ausgeht!
    Die geschichte ist so verdammt gut, und trotzdem kein happy end. :D
    ICH WILL MEHR :DD

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