Sonntag, 8. November 2015

Die entführten Zwillinge Teil 2: Ankunft in der Spezialklinik


Als Lilly erwachte, fühlte sich ihr Kopf eiskalt an. Außerdem brummte ihr Schädel gehörig. Nur langsam setzte sie die Zusammenhänge in ihren Gedanken zusammen, noch bevor sie stöhnend die Augen öffnete. Sie erinnerte sich, dass Kira, ihre Schwester, sie zu dem Van gezerrt hatte, deren 4 Insassen beide entführt, gefesselt und betäubt hatten.



Sorgenvoll dachte Lilly daran, dass sie - während sie in Schockstarre neben Kira und der seltsamen Frau gesessen hatte - zugehört hatte, wie ihre Schwester von ihren gemeinsamen Vorlieben erzählt hatte. Brennend hatte die Frau das interessiert. Und dann hatte sie die beiden betäubt mit Chloroform - doch wohin waren sie gebracht worden? Lillys Körper lag auf einer harten, kalten Metallplatte, das fühlte sie. Sie schauderte und erinnerte sich an eine Operation im Krankenhaus vor einigen Jahren. Das Gefühl vor der Narkose, die Ungewissheit, ob man die Operation übersteht, all diese Gefühle kamen in Lilly plötzlich wieder hoch. Sie öffnete die Augen, um sich Gewissheit zu verschaffen, doch sich mit offenen Augen sah sie nur schwarz vor ihrer Linse. Sie begriff, dass man ihr eine Augenbinde verpasst hatte. Lilly versuchte, sich zu bewegen, doch sie war mit mehreren strammen Gurten und Klebeband auf die Liege geschnallt, von den Schultern bis zu den Zehenspitzen. Sie konnte sich keinen Millimeter rühren. Aber sprechen konnte Lilly, ihr Mund war nicht zugeklebt. Als sie jedoch um Hilfe schreien wollte, bemerkte das Mädchen schnell, dass sie nur recht leise sprechen konnte. Was hatten diese Gangster mit ihr angestellt? Und wo war Kira? Auf einmal vernahm sie das Klack-Klack von High Heels auf dem Boden, die Schritte kamen rasch näher! Die Frau betrat nun den kargen Raum, in dem Lilly lag. Er war ziemlich groß, aber nur an den vier Wänden standen aneinandergereihte Metallregale, deren Inhalt Lilly sicherlich beunruhigt hätte, doch ihr blieb der Anblick durch die Augenbinde, die völlig blickdicht war, verwehrt. Ansonsten war der Raum jedoch leer, was das Klackern der Schuhe noch hallender machte. "Ja... Sie liegt im Aufwachraum. Sobald sie wieder bei Sinnen ist, melde ich mich nochmal... Ja, ich weiß, ab 24 Stunden vor der Operation kein Essen und keine Flüssigkeiten mehr. Deshalb hoffe ich ja, dass sie bald aufwacht, sonst muss ich ihr einen Tropf anlegen und ihr das Wasser, das sie noch bekommen soll, darüber verabreichen... Ja, die andere ist bereits auf den Zimmer. Ich glaube, sie schläft wieder. Ich überwache jetzt ihre Schwester. Wir sehen uns dann morgen!" Lilly erkannte, dass die Frau telefonierte. Doch nun legte sie auf und Lilly spürte, wie sie sich über sie beugte. "Ah, unsere zweite Patientin ist erwacht, wie schön. Dann möchte ich auch dir erläutern, was wir für die nächsten Tage geplant haben. Du und deine Schwester Kira, ihr werdet die nächsten zwei Wochen in dieser Spezialklinik verbringen. Ich habe dir übrigens ein lähmendes Mittel verabreicht. Du sprichst leiser und kannst deine Arme und Beine auch ohne Fesseln nur langsam bewegen. Das wird aber wieder vergehen, keine Sorge!", begann die Frau mit ihren Erklärungen. "Wie lange war ich betäubt?", krächzte Lilly. "Nun, wir haben euch Freitagabend um ca. 21 Uhr betäubt und jetzt ist es Samstag - kurz nach 5 Uhr morgens. Du hast also die ganze Nacht geschlafen. Deine Schwester war etwas schneller wach, ihr habe ich das Gleiche erzählt, was ich auch dir erzählen möchte." Nun nahm die Frau Lilly die Augenbinde ab und Lilly blickte in ihr lächelndes Gesicht. Die Frau war Ende 30, blond und hatte ein faltenloses Gesicht. Sie steckte in einem grünen Kittel, wie Ärzte ihn bei Operationen trugen. Mühsam entzifferte Lilly den Namen auf dem weißen kleinen Schild auf ihrem Hemd. "Ich bin Dr. Jule Winter. ", stellte sich die Frau jedoch sogleich vor. Lilly blickte umher. In den Regalen lagen einige Spritzen und Operationsbesteck - was hatte man mit ihr und Kira vor? "Wo... Wo ist meine Schwester?", brachte Lilly heraus. "Oh, keine Panik, ich habe sie bereits auf euer gemeinsames Zimmer für die nächsten zwei Wochen gebracht. Es wird dir gefallen. Aber erst mal muss ich dir wohl einiges erklären. Also: Das hier ist ein streng geheimer Bereich einer großen Klinik. Hier werden Operationen durchgeführt, die ... sagen wir mal an der Grenze der Legalität sind. Seit drei Jahren betreiben wir hier unten ein Laboratorium mit Krankenzimmern, Schleuse, Operationsraum, Aufwachraum und allem, was dazu gehört. Wir beobachten Mädchen im Alter von 16-21 Jahren, meist Mädchen, die entweder nicht kontaktfreudig sind, sondern sehr unscheinbar leben und die niemand vermisst, oder - so wie ihr - Mädchen, die Waisen sind und auch sonst keine Verwandten haben, die sich um sie kümmern. Wir beobachten sie meist etwa 6-9 Monate, führen Besprechungen und Analysen durch, sammeln Informationen über sie und beschließen dann, die ausgewählten Mädchen zu uns zu holen. Ihr zum Beispiel seid uns vor 8 Monaten aufgefallen. Aber unser Chef schreibt uns das Mindestalter von 16 Jahren für unsere Experimente vor, an das wir uns strikt halten müssen. Sonst hätten wir euch schon viel früher zu uns geholt, denn ihr seid die perfekten Versuchskaninchen. Und dann spielte uns gestern der Zufall in die Hände: Deine Schwester war so neugierig, dass wir das Ganze einfacher als gedacht abwickeln konnten. Eure gesamten Daten sind jetzt in unserem digitalen Archiv bei uns gespeichert. Nun zu dem, was euch erwartet: Wir führen bei jedem Mädchen mindestens eine und maximal drei Operationen durch. Die Art kommt auf die Interessen und Vorlieben der Mädchen an. Bei euch werden wir eine einfache Standard-OP durchführen: die Außerkraftsetzung des Schließmuskels. So werdet ihr nicht nur in Zukunft eine Windel tragen wollen, ihr werdet es müssen, Tag und Nacht, da euch jegliches Gefühl, wann ihr zur Toilette müsst, verlieren werdet. Zwangsläufig werdet ihr dann auf Windeln angewiesen sein. Zum Ablauf eures Aufenthaltes: Morgen früh werdet ihr operiert, Kira von mir als Chefärztin und du von Dr. Uwe Hammer. Wir haben das beide schon oft gemacht, kein Grund zur Panik. Die Narkose wird dann am späten Nachmittag wohl soweit nachgelassen haben, dass ihr aufwacht. Unsere Narkoseschwestern Sophie und Katja sind ebenfalls seit Jahren in ihren Berufen tätig. Sie werden euch während der OPs überwachen. Und dann sind da noch Bernd, der eure Essenswünsche für Frühstück, Mittagessen und Abendbrot entgegen nimmt, Sonja, unsere junge Krankengymnastin und Anja und Michaela, die Krankenschwestern, die euch Tag und Nacht bei Problemen helfen werden. Wir acht sind die wichtigsten Personen für euch während eures Aufenthaltes hier. Nach der Operation werdet ihr spätestens Montag wieder auf eurem Zimmer sein und vorläufig noch Flüssigkeit über einen Zugang erhalten. Aber Dienstag sollte euer Magen wieder essensaufnahmefähig sein. Ihr werdet in Daunenjacken und Strumpfhosen gekleidet, in Windeln sowieso, absolviert Spaziergänge unter Aufsicht draußen im weitläufigen Park und trainiert fleißig eure Muskeln, damit ihr am Sonntag in zwei Wochen wieder nach Hause könnt. Nachher werdet ihr einen Vertrag unterschreiben, in dem alles nochmal genau drinsteht und der euch zu Stillschweigen verpflichtet. Einige Male werdet ihr geröntgt werden. Gleich werde ich dir noch etwas Wasser geben, 24 Stunden vor der OP muss die Essens- und Flüssigkeitszufuhr nämlich eingestellt werden, ihr müsst für die Operation absolut nüchtern sein. Heute Mittag werdet ihr geweckt. Es werden Röntgenbilder gemacht und Standard-Tests durchgeführt, also Hör- und Sehvermögen getestet, außerdem nehmen wir eure aktuellen Daten auf, wie Größe, Augenfarbe, Gewicht etc. Das müssen wir im Vorfeld einer Operation machen. Sei versichert, Lilly, dass euer Aufenthalt in dieser Klinik im Gegensatz zu einem normalen Krankenhausbesuch nicht langweilig wird. Wir haben eine Menge mit euch vor. Ach und ich vergaß zu erwähnen: Für Ungehorsamkeit gibt es eine oder mehrere Strafen. Zur Bestimmung wird unser Straf-Rad gedreht. Entweder ihr bekommt ein Tattoo, müsst die Nacht auf dem Friedhof nebenan verbringen oder einen Becher Urin der anderen Schwester austrinken und vieles mehr. Es gibt übrigens noch einige andere Mädchen auf eurer Station - Station 3. Vielleicht lernt ihr sie ja im Laufe der Woche kennen. So und jetzt trinkst du diese Flasche aus und anschließend bringe ich dich auf dein Zimmer zu Kira. Du hast einen Katheter an, also keine Sorge, es wird nichts "danebengehen"." Erst jetzt sah Lilly an sich herunter. Sie trug, soweit sie das durch das silberne Klebeband hindurch erkennen konnte, nur ein weißes OP-Hemd mit Punkten, welches nicht gerade Wärme spendete. Außerdem den Katheder, welcher von einer Plastikwindel umschlossen war. Sie konnte das alles noch immer nicht so recht begreifen, doch abgesehen von den Strafen und der OP hörte sich Dr. Winters Bericht gar nicht so übel an. Sie freute sich jetzt vor allem auf Kira. Dann fiel ihr noch etwas ein: "Und die Schule?" "Ich habe persönlich mit eurem Direktor gesprochen. Für eine schon länger angesetzte OP ist kurzfristig ein Termin frei geworden. Er lässt euch grüßen." Jule Winter zwinkerte ihr zu. Die haben an alles gedacht, dachte Lilly und wusste nicht, wie sie sich fühlen sollte.

Nachdem Dr. Winter Lilly eine Flasche Wasser verabreicht hatte, löste sie die festen Gurte und hievte Lilly auf ihr Bett, welches die Ärztin neben die Liege geschoben hatte. Dann löste sie die Bremsen und fuhr mit ihrer Patientin aus dem Aufwachraum. Lilly registrierte die schwarzen, großen Buchstaben, die an den weiteren Metalltoren in diesem Trakt angebracht waren, es waren mehrere Aufwachräume, Eingangs- und Ausgangsschleuse. Am Gangende befanden sich mehrere Aufzüge. Zunächst fuhr Dr. Winter mit ihr ins Erdgeschoss, doch wie sie ihr verriet, konnte man dieses Stockwerk eigentlich gar nicht als Erdgeschoss bezeichnen, da alle zur geheimen Klinik gehörenden Etagen unterirdisch waren. Im Erdgeschoss stieg eine recht junge, schwarzhaarige Frau in den Aufzug und lächelte zuerst Dr. Winter, dann Lilly an. "Ist das die neue Patientin?", fragte sie. "Allerdings. Lilly, das ist Michaela, eine der beiden Krankenschwestern, die sich um dich und deine Schwester kümmern werden", erläuterte Dr. Winter. "Hallo", sagte Lilly schwach. Sie füllte sich müde, obwohl sie die ganze Nacht durchgeschlafen haben musste. Das passierte momentan eher selten. Lilly schob das auf Dr. Winters Medikamente. Michaela nickte ihr freundlich zu und wandte sich dann an Dr. Winter: "Ich hoffe, die beiden sind umgänglicher als Nadja. Mein aktueller Pflegefall von Station 3 nörgelt ständig herum, weil sie den Service nicht als angemessen empfindet. Sie stammt ja aus reichem Hause, pfah. Für echte Kidnapper wäre sie eine Höllenqual! Zum Glück reist sie morgen ab. Länger hätte ich es auch nicht ausgehalten!" In diesem Moment hielt der Fahrstuhl in der dritten Etage. Lilly war einigermaßen froh, von Quasselstrippe Michaela wegzukommen und auch Dr. Winter schien etwas erleichtert zu sein. Auf dem Flur war nicht viel los. Ein etwa 16-jähriges blondes und ausgesprochen hübsches Mädchen mit welligem Haar lief auf und ab. Dr. Winter begrüßte sie freundlich: "Hallo Maja, na, ausgeschlafen?" "So kann man es nennen. Hallo, Dr. Winter. Und wer ist das?" Maja beugte sich über Lillys Bett und lächelte. Unwillkürlich fröstelte das Mädchen. "Lilly. Genau wie ihre Zwillingsschwester Kira eine Expertin in Sachen Plastikwindeln und Daunenjacken." "Windeln, toll. Hallo Lilly! Ich bin Maja, Fetisch für Abend- und Hochzeitskleider und Windeln. Seit einigen Jahren." Maja trug ein hübsches, rotes Kleid, das zu ihr passte. Ein ausgesprochen attraktives Mädchen. "Heute Nachmittag werden die Untersuchungen für die beiden abgeschlossen sein. Dann kannst du sie besuchen", erklärte Dr. Winter Maja. Die nickte, verabschiedete sich von Lilly, die nur ein steifes Lächeln hervorbringen konnte und eilte auf eine Tür mit der Nummer 313 zu. Die Ärztin schob das Bett bis zu Zimmer 317, klopfte kurz - wohl reflexmäßig - und trat ein. Sie stellte Lillys Bett neben das einzige andere Bett, das dieses Zimmer beherbergte. Kira war wach. Sie lächelte, als sie ihre Schwester sah. Auch Kira trug ein weißes OP-Hemd mit Punkten darauf, eine Windel und vermutlich ebenfalls einen Katheder, doch das konnte Lilly nur erahnen. "So", sagte Dr. Winter, nachdem sie das Bett neben Kiras gestellt hatte, "Schlaft ruhig ein bisschen, heute Mittag um 13 Uhr werdet ihr geröntgt und Gewicht und Größe und so getestet. Kurz darauf werdet ihr ein Gespräch beim leitenden OP-Arzt haben, also Kira bei mir und Lilly bei Dr. Hammer. Dabei werdet ihr unter anderem den Vertrag unterzeichnen." Lilly war jedoch viel zu aufgeregt, um schlafen zu können. Nachdem Jule Winter die Tür geschlossen hatte, plapperte Kira los: "Wir sollten einen Weg hier raus finden. Das ist ja wohl eindeutig ne Nummer zu krass. Ein Leben lang Windeln - und was ist mit der Schule? Die werden sich Montag wundern." Nur mit Mühe konnte Lilly ihre Schwester bremsen. Sie berichtete von Dr. Winters Gespräch mit dem Schuldirektor, von Maja und Schwester Michaela und von ihrem Gefühl, dass man der Klinik eine Chance geben sollte. Und nachdem sie geendet hatte, entspannte sich der Ausdruck auf Kiras Gesicht: "Da bin ich aber froh, dass du das auch so siehst. Ich finde es auch gar nicht schlecht hier. Nur bist du ja immer die Schüchterne und ich dachte..." Kira beendete ihren Satz nicht, als sie das Breite grinsen auf Lillys Gesicht wahrnahm. Vielleicht, dachte Kira, vielleicht bringt diese Klinik Lilly sogar dazu, sich ein wenig zu öffnen. Nach dem Unfall der Eltern hatte Lilly fast eine Woche lang kein Wort geredet und Kira war fast wahnsinnig geworden. Lilly war in mal den Jahren immer im Schatten ihrer Schwester geblieben. Ob sie jetzt endlich erwachsen wurde?
"Da ist noch was, worüber ich mit dir sprechen wollte. Jetzt fällt's mir wieder ein: Würdest du die Klinik als Hütte bezeichnen?", fragte Lilly plötzlich und riss Kira aus ihren Gedanken. "Äh ... Ich denke nicht", stotterte diese und war versucht, sich aufzusetzen, doch das silberne Klebeband um ihren gesamten Körper hinderte Kira daran. "Und warum waren die letzten Worte von Dr. Winter, die ich noch hören könnte, bevor das Chloroform gewirkt hat: "Zur Hütte am See"?" Lilly drehte ihren Kopf zu Kiras Bett und schaute ihre Schwester mit fragenden, herausfordernden Augen an. "Wahrscheinlich ist das ein Kosename. Oder du hast dich verhört", versuchte Kira ihre Schwester zu beruhigen. "Oder sie haben uns erst woanders hingebracht. Zu einer Hütte." "Das muss doch gar nichts heißen. Dr. Winter meinte, ihr Chef hätte ihr den früheren Zugriff auf uns wegen des Mindestalters nicht erlaubt. Vielleicht wohnt dieser Chef in einer Hütte und er wollte uns erst sehen." "Er wohnt in einer Hütte und besitzt eine Spezialklinik? Das glaubst du doch selber nicht. Ich sage dir, die verheimlicht uns was. Ich werde Maja mal fragen, ob die was weiß. Immerhin scheint sie schon eine Woche hier zu sein. Es sah jedenfalls nicht so aus, dass sie erst seit gestern hier ist und Freitag ist anscheinend der einzige Tag, an dem hier Mädchen ankommen." "Allerdings, hat mir Dr. Winter erzählt, und nach 16 Tagen am Sonntag ist immer die Heimreise. Na ja, tu was du nicht lassen willst. Mir ist das nicht verdächtig. Aber mich würde interessieren, wo die Klinik liegt. In Hamburg ist mir so eine Klinik jedenfalls noch nicht aufgefallen", meinte Kira. "Das liegt daran, dass sie geheim ist und nur unterirdische Stockwerke hat, vermutlich unter einem ganz normalen Krankenhaus. Wer weiß, ob die da oben was davon wissen", warf Lilly ein. Mit diesen Worten drehte sie sich auf die andere Seite. Die Mittel von Dr. Winter waren doch etwas ermüdend und Lilly beschloss, doch ein wenig zu schlafen. Während sie einschlief, wunderte sie sich, wie sehr sie heute aus sich herausgekommen war. Sie hatte kaum Angst vor der morgigen OP und dem bevorstehenden Windelleben. Fast dankte sie Dr. Winter, jedoch war sie sich sicher, dass diese etwas verschwieg, was Lilly gerne gewusst hätte. Und sie hoffte inständig, dass es nichts Schlimmes war...
Nach diversen Untersuchungen am Mittag stand nun die vorletzte Etappe vor der OP an: Röntgen. Die leitende Schwester stellte sich als Karin Kirschweg vor und sofort fiel Kira auf, dass sie sich offenbar prächtig mit Jule Winter verstand, die sie als Erste in den Raum gelotst hatte. Fröhlich unterhielten sich die beiden jungen Frauen über dies und das, während Karin, die Kira und Lilly das Du angeboten hatte, alles vorbereitete. Auf einer Liege zog Karin Kira den Katheter und sichelte sie in mehrere Windeln. Währenddessen zapfte Jule das Urin aus dem Katheter in eine große Ampulle, die sie anschließend aus dem Raum brachte. Sie kam erst wieder zurück, nachdem Karin ihrer Patientin einen Schutz vor den Strahlen mit Klebeband an deren Windel verpasst und das Gerät eingestellt hatte. Eilig schritt Dr. Winter in den Nebenraum zu ihrer Freundin, die Kira mehrmals eingeflößt hatte, sich nicht zu bewegen und möglichst die Luft anzuhalten. Der Apparat knipste und nach 4 Bildern, eines von vorn, eines von hinten und zwei von der linken und rechten Seite, war Lilly an der Reihe. Genau wie Kira fand Lilly Karin auf Anhieb sympathisch. Anschließend bat Dr. Winter die beiden Zwillinge, auf den Liegen im Saal Platz zu nehmen. Urplötzlich zauberte die Ärztin einen Stapel dicker Plastikwindeln hervor und legte sie auf einen Hocker. „Für die anschließenden Gespräche bei Dr. Hammer und bei mir werdet ihr in schön dicke Windelpakete verpackt. An dieses Gefühl könnt ihr euch dann gleich schon mal gewöhnen, denn ihr werdet während der nächsten zwei Wochen dauerhaft in Windeln eingepackt sein. Fürs notwendige Windeln wechseln in der Nacht sind Anja und Michaela zuständig.“ Schon nahm Dr. Winter die erste Windel vom Stapel und schob sie Kira um den Po. Kräftig verschloss sie die Windel und nahm danach noch vier weitere, die sie Kira mit geschickten Griffen umband. Als sie fertig war, hatte es den Anschein, als wolle sie ihr Werk stumm nochmal betrachten. Aber für einen Augenblick hatte Dr. Winter ihre Mimik nicht vollständig unter Kontrolle. Kira konnte diesen Blick nicht deuten, aber sie war sicher, dass Dr. Winter ihre Haare studierte, auch wenn sie eigentlich auf das Windelpaket schaute. Vielleicht, dachte Kira, vielleicht hat Lilly recht. Irgendetwas stimmt mit Dr. Winter nicht. In Anbetracht der Tatsache, bald unter ihrer Fuchtel auf dem Operationstisch zu liegen, war sich Kira noch unsicherer geworden. Handelte es sich wirklich nur um eine Routine-OP oder verschwieg die Frau Kira etwas? Dr. Winter räusperte sich: „Gut, dann kannst du gehen. Zieh das T-Shirt, die Jacken und die Strumpfhose an, die in deinem Schrank in eurem Zimmer liegen, das OP-Hemd lässt du dann einfach auf dem Bett liegen. Du wirst es morgen früh wieder brauchen. Anschließend gehst du bitte wieder ins Erdgeschoss, rechts neben dem Empfang den langen Gang entlang durch die automatische Tür und dann die vorletzte Tür links. Das ist mein Büro. Warte dort bitte auf mich, ich werde mich nur schnell um deine Schwester kümmern und Karin kurz helfen, dann bin ich bei dir. Wir müssen den Vertrag unterzeichnen und noch ein paar grundlegende Sachen wegen der Operation morgen klären.“ Kira nickte, stand auf und ging zur Tür und drehte sich für einen kurzen Moment nochmal um. Dr. Winter hatte das nicht geahnt und tat so, als würde sie gerade den Röntgenapparat bedienen. In Wahrheit hatte Kira jedoch gesehen, wie Dr. Winter sie mit einem etwas sehnsüchtigen Blick angestarrt hatte. Sie wollte unbedingt am Abend mit Lilly darüber sprechen.
Tatsächlich sahen sich die Geschwister erst am frühen Abend wieder. Beide hatten lange Gespräche mit den Chefärzten hinter sich. Nachdem Bernd gekommen war, um ihre Bestellung bezüglich des Essens für Dienstag, dem zweiten Tag nach der OP aufgenommen hatte, berichtete Kira ihrer Schwester endlich von ihren Beobachtungen. Sie lagen immer noch in ihren Klamotten im Bett. „Hab ich es dir doch gesagt. Aber du wolltest mir ja nicht glauben!“, erwiderte Lilly etwas trotzig, nachdem Kira geendet hatte. „Mir macht es schon Sorgen, dass ich morgen bei ihr unterm Messer liegen werde. Nach außen hin wirkt sie ganz normal, aber irgendetwas stimmt nicht mit ihr. Und wir sollten herausfinden, was.“ „Und auch deshalb war ich vorhin noch schnell in Zimmer 313. Maja liegt dort mit Nadja, dieser Reichentochter. Innerhalb der eineinhalb Minuten meines Besuches  hat sie sich ungefähr 25 Mal über die Krankenschwestern beschwert, über den Service, das Zimmer, das Essen… Mich hat wirklich gewundert, dass sie das Ganze nicht als Freiheitsberaubung sieht. Jedenfalls kommt Maja gleich her. Sie ist schon eine Woche hier, also kennt sie die Klinik schon ganz gut. Und hoffentlich weiß sie, was mit Dr. Winter los ist!“, meinte Lilly und sank in ihr Kopfkissen. Sie genoss, dass sie momentan keine Fesseln trugen. Wie aufs Stichwort klopfte es an der Tür. Kira lächelte ihre Schwester an, dann sagte sie „Herein“ und Maja kam in das Zimmer. Nach einer kurzen Begrüßung stellte Lilly ihre Schwester vor, dann erzählte Maja ein wenig vom Klinik-Alltag und schon eine knappe halbe Stunde später hatten die Mädchen Freundschaft geschlossen. Spontan lud Kira sie nach ihrem Aufenthalt in der Spezialklinik ein, sie in Hamburg zu besuchen, wobei sich herausstellte, dass Maja nur drei Straßen weiter wohnte. Wo die Klinik sich letztendlich eigentlich befand, konnte auch sie nicht sagen. Aber sie hörte interessiert zu, als Kira und Lilly von ihren Eindrücken der Chefärztin erzählten. Während der Erzählung betrachtete sie mit großen Augen die beiden dicken Windelpakete, die Kira und Lilly ihr bereitwillig zeigten. „Also ehrlich gesagt, mir ist noch nichts an Dr. Winter aufgefallen. Sie ist schon eine sehr eigenartige Person, aber ich hatte mit ihr noch nicht so viel zu tun. Dr. Hammer hat mich operiert.“ Lilly zwinkerte ihr wortlos zu. „Allerdings kümmert sich Dr. Winter um meine Bettnachbarin. Eine sehr anstrengende Person. Aber Dr. Winter lässt sich von ihrer Kritik überhaupt nicht einschüchtern. Im Gegenteil: Nadja musste schon drei Urin-Becher austrinken und eine ganze Nacht in einer Gruft auf dem Friedhof verbringen. Gefesselt und geknebelt in einem Sarg zu liegen wäre nichts für mich. Ihre Lektion hat sie allerdings nicht gelernt!“, berichtete Maja, wobei ihr blondes, welliges Haar im durch das halb geöffnete Fenster durchwehenden Wind wehte.
Eine knappe Stunde später verabschiedete Maja sich. Kira war müde und schlug vor, schlafen zu gehen. Immerhin war morgen ein schicksalhafter Tag. Lilly war etwas enttäuscht, nicht mehr herausbekommen zu haben. Aber sie sah ein, dass sie heute nichts mehr erreichen konnte. Doch damit sollte sie sich täuschen. Nachdem die Mädchen Zähne geputzt hatten, betastete Kira nochmal ihr Windelpaket. Es war schon etwas Urin gekommen, das spürte sie. Wenig später kam Anja, eine der Krankenschwestern in das Zimmer. Es war neun Uhr abends, als sie den Schwestern die Strumpfhosen auszog, sie mit silbernem Klebeband von Schulter bis zu den Zehenspitzen wieder fesselte und ihnen anschließend einen Knebel verpasste, dann jedem Mädchen noch eine schlaffördernde Spritze gab und ihnen schließlich eine gute Nacht wünschte. Kira war fasziniert. Ähnlich wie Dr. Jule Winter verstand Anja ihr Handwerk perfekt und überließ keinen Handgriff dem Zufall. Sie erklärte den Schwestern noch schnell, dass in ihrer fünften Windel eine Art Sensor steckte, der den Schwestern ein Signal gab, sobald sich die letzte Windel füllte, damit sie besser wussten, wann wer gewickelt werden musste. Zu guter Letzt löschte Anja das Licht und schloss die Tür. Kira starrte zum an der Wand hängenden Fernseher. Plötzlich flackerte das Bild auf. Lilly schreckte ebenfalls hoch: Das Bild wurde immer schärfer. Schließlich erkannten die Schwestern Dr. Winter, die in ihrem Kittel auf steinigem Boden stand. Der Raum war schwach mit einer Fackel beleuchtet. Dr. Winter lächelte die Zwillinge direkt an. „Es wird Zeit … dass ihr die ganze Wahrheit erfahrt. Ich glaube, das bin ich euch schuldig“, sagte sie mit einer kalten Stimme. Sie trat ein Stück zur Seite und gab den Blick auf zwei große Gegenstände frei. Kira blinzelte – dann erkannte sie, dass es zwei Särge waren!

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