=> Eine schöne Bescherung Teil 2
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Es war der 22. Dezember. Seit dem „Miracle on ice“ waren 2 Tage
vergangen und es war jetzt Donnerstagmorgen. Andreas‘ Mutter stand vor
seiner Zimmertür und klopfte an. „Kann ich reinkommen?“
Nichts regte sich.
Sie klopfte nochmals, doch wieder blieb es still. „Andreas komm schon
mach wenigstens die Tür auf! Ich verspreche dir ich werd‘ dich auch
nicht dazu zwingen in die Schule zu gehen. Ich weiß was vorgefallen ist
und es tut mir wirklich zutiefst Leid, aber du hast seit zwei Tagen
weder gegessen, getrunken noch mit uns geredet. Dein Vater und ich, wir
machen uns Sorgen! So kann es nicht ewig weitergehen. Hörst du?!“
Weiterhin wartete sie vergeblich auf eine Antwort.
„Schön wie du willst. Bleib auf deinem Zimmer, aber nimm wenigstens
etwas zu dir! Ich lass dir dein Frühstück vor der Tür stehen. Du kannst
es dir holen wann immer du möchtest. Ich werde wieder runter gehen und
dich nicht weiter stören. Aber lass dir noch eines gesagt sein: Es mag
für dich furchtbar gewesen sein vor all deinen Mitschülern und Freunden
in Windeln gesehen zu werden, aber dich deshalb von der Außenwelt
abzukapseln und den Kopf einzuziehen ist nicht der richtige Weg dem
entgegen zu treten. Ich bin deine Mutter und ich liebe dich, egal was du
auch in deinem Leben tun wirst, nur war ich bisher eigentlich der
Meinung, dass ich einen reifen 17-jährigen Sohn habe, der weiß wie man
sich mit Problemen auseinandersetzt und nicht ein hilfloses, feiges
Baby.“
Andreas hörte wie sich die Schritte seiner Mutter entfernten. Er lag im
Bett und hatte alles mitangehört. Dass er nichts getrunken und gegessen
hatte, stimmte nicht ganz. Auf seinem Nachtschränkchen waren noch eine
fast volle 2 Liter Flasche Cola und eine halb aufgegessene Tüte Chips
gelegen, von denen er in den letzten beiden Tage gelebt hatte. Er
glaubte, dass seine Mutter das wusste und nur die Besorgte gespielt
hatte, damit er endlich aus seinem Zimmer herauskam. Aber das würde er
erst machen, so hatte er sich geschworen, sobald eines der folgenden
drei Szenarien eintreten würde, die er sich in den letzten 2 Tagen
ausgedacht hatte.
Nummer eins:
Die Schule brennt ab, oder es passiert sonst irgendetwas, sodass er bis
auf weiteres offiziell keinen Unterricht mit seinen Ex-Besten-Freunden
absolvieren würde müssen.
Zweitens:
Es bricht eine Magendarm-Epidemie aus, woraufhin sich ausnahmslos alle
anstecken und in den nächsten Tagen Windeln verordnet bekommen. Sollen
sie doch selbst sehen, wie es ist gezwungen zu werden, diese Dinger zu
tragen!
Und schließlich Drittens:
Er sitzt noch 3 weitere Tage hier drinnen, dehydriert dabei klarerweise
früher oder später, wird ohnmächtig, seine Eltern brechen die Tür auf,
finden ihn sterbend hier liegen, rufen einen Krankenwagen und er wird
von den Sanitätern auf einer Trage in die Ambulanz eingewiesen.
Er persönlich würde es begrüßen, wenn Nummer zwei einträfe...
Abgesehen von diesen Gedankenspielereien hatte der inkontinente Teenager
in seinem Exil nicht viel geleistet, außer sich selbst ab und an die
Windeln gewechselt, die, wie er am ersten Abend entdeckt hatte,
vermutlich von seiner Mutter, fein säuberlich in seinen Schrank
eingeordnet worden waren. Es ärgerte ihn, dass er sogar jetzt noch, wo
er eigentlich in Selbstmitleid und Rachegedanken gegen diese weißen
Lebenszerstörer schwelgte, durch seine Inkontinenz permanent auf sie
angewiesen war und somit an sein „Coming-Out“ erinnert wurde. Wieso nur
passierte das ausgerechnet ihm? Gleich beim ersten Mal, als er mit
Windeln in die Schule geschickt worden war, war er aufgeflogen – oder
eher hingeflogen. So viel Pech musste man erst mal in einem Leben haben!
Klar war er nervös gewesen und hatte gefürchtet erwischt zu werden,
aber wenn er ehrlich war, hatte er es eigentlich für Recht
unwahrscheinlich gehalten, dass ihm das tatsächlich passieren konnte.
Nur war es nun Mal geschehen und er würde deshalb zumindest bis zu
seiner Maturreise, wie er annahm, jeden Tag daran erinnert werden.
Andreas hatte sich schon über mögliche Spitznamen, die ihm in Zukunft
zugerufen werden würden, Gedanken gemacht. Hosenscheißer oder Babyboy
waren dabei wahrscheinlich noch eher unkreative Varianten. Wenn es nach
ihm ginge, würde er die Spitzenreiter erst im neuen Jahr erfahren,
obwohl ihm das eigentlich immer noch zu früh war.
Der 17-jährige drehte sich träge auf die Seite, damit er aus dem Fenster
schauen konnte. Es hatte aufgehört zu schneien. Dennoch verhüllten
schwere, graue Wolken den Himmel und hinderten die Sonne daran, dass
ihre Strahlen hindurch auf die triste Welt brachen. Das schlechte Wetter
kam ihm gerade Recht. Es spiegelte so ziemlich das wieder, was sich in
seinem Inneren seit Tagen festgesetzt hatte. Bleierne, graue
Depressionen und Hoffnungslosigkeit auf Besserung.
Seine Mutter hatte ihn mit ihren Beleidigungen nicht wirklich verletzten
wollen, dass wusste er. Sie hatte vielmehr versucht die kämpferische
Seite in ihm zu wecken, die beispielsweise beim Sport des Öfteren in ihm
zum Vorschein kam. In dieser Hinsicht war er ein wenig ein Rebell.
Gerade wenn alles gegen ihn sprach und keiner ihm mehr etwas zutraute,
erwachte in ihm ein Verlangen, gleich einem wütenden Feuer, das darauf
brannte jedem das Gegenteil zu beweisen. Jetzt erst recht! Das war der
Lebensvorsatz, nach dem er sich richtete. Nur genau in diesen Tagen, in
denen die Situation so schlimm war, wie nie zuvor, konnte er dem nicht
folgen. Das Gelächter auf dem Eis hatte ihn praktisch gelähmt. Nicht
nur, als es passiert war und er ohne Hose dagestanden hatte, auch jetzt
noch. Es fühlte sich an, als hätte man ihm damit tief in die Seele
gelangt und diesen einen Charakterzug einfach herausgerissen.
Zurückgeblieben war ein schwarzes Loch, das sich mit nichts mehr füllen
ließ. Er konnte es nur betrachten und dem nachtrauern, was scheinbar
verloren war.
Inzwischen war es Mittag geworden. Am Wetter konnte man das zwar nicht
erkennen, aber sein Wecker war sich ganz sicher und zeigte selbstbewusst
12:04 Uhr an. Das Frühstück hatte Andreas nicht angerührt. Seine Mutter
oder sein Vater waren ebenfalls nicht nochmal gekommen, um mit ihm zu
reden. Er spürte, dass er aufs Klo musste und ließ es absichtlich
einfach laufen. Gleich darauf wurde es in seinem Schritt spürbar wärmer.
Die Windel nahm deutlich an Volumen zu und knisterte leise, als sich
der Superabsorber in ihr ausdehnte. Der junge Windelträger ertappte sich
dabei, dass er es genoss, dafür nicht extra aufstehen gemusst zu haben.
„Eigentlich sind sie gar nicht so unpraktisch. Und die Wärme im ersten
Moment beim Einnässen ist auch ein gutes Gefühl.... Irgendwie ist es
schon ein echter Jammer, dass Windeln nicht gesellschaftstauglich sind.
Sie würden so manches viel einfacher machen. Man müsste zum Beispiel bei
langen Autofahrten nie mehr zum Pinkeln anhalten, oder bei Kinobesuchen
oder beim Skifahren. Wieso können die Leute es nicht einfach hinnehmen,
dass manche ihre Toilette nun Mal mit sich rumtragen? Ich wette wenn
man alles gut abdichtet, würde es nicht einmal jemand merken, wenn der
Gegenüber sich gerade in die Windel macht. Es ist alles nur eine Frage
der Einstellung. Nur daran scheitert es! Wenn die Leute intelligent
genug wären, das Windeltragen auch einmal aus einer anderen Perspektive
zu betrachten, wäre es völlig normal, dass manche sich eben wickeln
lassen. Aber nein, die große Masse ist einfach nur ein homogener, fauler
Haufen, dem von Kindesbeinen an eingetrichtert wird, dass es merkwürdig
und peinlich ist, wenn jemand Windeln trägt. Nur Babys und Senioren
haben die offizielle Berechtigung dazu. Pech nur für alle dazwischen,
die an Inkontinenz leiden! Und für diejenigen, die Windeln einfach gerne
anziehen, so etwas gibt’s vielleicht ja auch...“
Vier Stunden später klopfte es plötzlich wieder an die Tür. Doch es war
nicht seine Mutter und auch nicht sein Vater. „Andreas? Darf ich bitte
reinkommen? Ich bin’s Lisa.“ Andreas horchte auf. „Was hat Lisa hier zu
suchen,“ fragte er sich gedanklich. An sie hatte er in den letzten
beiden Tagen überhaupt nicht gedacht. „Vielleicht hat sie ein schlechtes
Gewissen und will sich entschuldigen. Unnötig! Ich bin ihr nicht böse,
es war ein Unfall und wenn schon kann ich mich bei mir selbst dafür
entschuldigen, dass ich sie so schnell angeschoben habe. Möglicherweise
hat auch Mama sie gebeten vorbeizuschauen...“
„Hallo? Schläfst du? Wenn ja ich wollt‘ dich nicht wecken, aber wenn du
schon mal wach bist wär’s nett, wenn du mich reinlassen würdest. Ich
will mich dafür entschuldigen, dass ich dir die Hose heruntergerissen
hab‘. Es tut mir echt Leid!“
„Also doch,“ führte er sein mentales Selbstgespräch weiter: „Mann ich
hab‘ gar nicht daran gedacht, dass sie sich schuldig fühlen könnte. Soll
ich sie reinlassen? Was wenn hinter ihr meine Eltern mit einem
Stemmeisen darauf warten, dass ich aufmache damit sie die Tür offen
halten können? Andererseits bin ich’s ihr vielleicht schuldig, dass sie
ihr Gewissen erleichtern kann.... Naja immerhin hat Mama mir aber auch
vorhin versprochen, dass sie mich nicht zum Schule gehen zwingt. Was
macht es dann eigentlich noch aus, ob ich weiter auf meinem Zimmer
bleibe oder nicht?“
Andreas raffte sich schließlich auf und ging zur Tür. Er drehte den
Schlüssel im Schloss herum und öffnete. Es hatte tatsächlich nur Lisa
vor seinem Zimmer gewartet. Sie sah etwas mitgenommen aus und blickte
ihn mitleidserregend schuldbewusst an. Scheinbar hatte ihr diese Sache
wirklich zugesetzt.
„Oh Gott sei Dank geht es dir gut,“ rief sie und fiel ihm um den Hals,
sodass Andreas kurz die Luft wegblieb. Stöhnend antwortete er noch in
ihrer Umarmung: „Klar geht’s mir gut, was dachtest du denn?“
Sie löste sich von ihm. „Äh ich.. ich weiß nicht. Aber nachdem du jetzt
schon zwei Tage nicht in die Schule gekommen bist, habe ich mir Sorgen
gemacht. Es hätte ja sein können, dass irgendetwas nicht stimmt... “
„Was, hattest du Angst ich tu mir vielleicht was an?“ Er konnte in ihrem
Gesicht immer schon lesen, wie in einem offenen Buch. Er sah, dass er
genau ins Schwarze getroffen hatte. Im nächsten Moment wurden Lisa’s
Wangen etwas rot und sie schaute betreten zu Boden. Scheinbar war es ihr
nun peinlich, dass sie etwas, für seine Begriffe, derart Lächerliches
und Weithergeholtes befürchtet hatte. „Mach dir Mal keine Sorgen, nur
wegen der paar Lacher werd‘ ich mich sicher nicht erhängen. Höchstens
den Arm ein wenig aufritzen.... “ scherzte Andreas, um ihre Zweifel zu
zerstreuen. Lisa lächelte nur matt. Mist, er wollte wirklich nicht, dass
sie sich seinetwegen mies fühlte.
„Komm erst mal rein, die Wände hier haben Ohren.“
Sie nahm sein Angebot an und er schloss die Tür hinter ihr, sperrte aber
nicht ab, damit sie sich nicht eingekerkert fühlte, obwohl es ihn
innerlich dazu drängte. Lisa setzte sich auf sein Bett. Sie hatte ihre
langen, braunen Haare offen gelassen, sodass sie ihr in weiten Kaskaden
über die Schultern fielen, und sich einen flauschigen, roten,
Fleecepullover mit vereinzelt abstehenden Büscheln angezogen. Ihre
grünen Augen blickten ihn immer noch schuldbewusst an und an ihrem
Gesichtsausdruck war leicht zu sehen, was für ein schlechtes Gewissen
sie sich in den letzten Tagen eingeredet haben musste. Plötzlich wich
sie seinem Blick wieder aus und drehte den Kopf scheinbar interessiert
von links nach rechts, quer durch den Raum. „Es mieft ein wenig, du
solltest ein Fenster aufmachen,“ meinte sie und war dabei um einen
unverfänglichen Plauderton bemüht. Andreas schaute sie ein wenig
skeptisch an. Lisa deutete seine Reaktion falsch und fügte erschrocken
hinzu: „Nicht das es schlimm wäre. Ich meine du kannst ja auch nichts
dafür. Du bist wie du bist und das ist gut so!“ Das war zu viel! Jetzt
glaubte sie auch noch, ihn mit ihrer Aussage beleidigt zu haben. Er
musste Klarheit schaffen, sofort!
„Äh ja schon klar, danke. Aber nur damit du wieder runterkommst, ich
hab’s nicht als Anspielung auf die vollen Windeln betrachtet, die im
Müll liegen. Wahrscheinlich hast du eh Recht,“ sagte Andreas und machte
sich daran das Fenster zu öffnen. Danach drehte er sich um und fuhr
wieder fort: „Also Erstens mal, ich bin dir nicht im Geringsten böse
wegen dem, was geschehen ist. Wenn schon kann ich wütend auf mich selbst
sein, weil ich dich zu schnell angeschoben habe, oder auf meine Mama,
weil sie mich gezwungen hat, in Windeln zur Schule zu gehen, oder
einfach auf die dämliche, unreife Gesellschaft. Aber du kannst dir
sicher sein, die letzte, auf der ich rumspinnen würde, bist du.“
„Wirklich? Immerhin hab‘ ICH dir die Hosen runtergerissen. Und als alle
anderen über dich gelacht haben, hab‘ ich dir auch nicht geholfen.“
„Ja wirklich! Wie hättest du mir denn auch helfen können?“ Sie wirkte
erleichtert. Endlich! „Abgesehen davon, bist du auch bisher die Einzige
meiner so genannte Freunde, die hier aufgekreuzt ist, um nach mir zu
sehen. Und du bist scheinbar auch die Einzige, die nicht über mich
gelacht hat, oder hab‘ ich das falsch verstanden?“ „Nein hast du nicht!
Ich schwöre, ich hab‘ nur hinter dir auf dem Eis gesessen und dich
bemitleidet.“
„Mich bemitleidet?“
„Ja, aber im positiven Sinn. Ich hab‘ mir gedacht, so ein armer Kerl,
dass er ausgerechnet hier vor allen anderen erwischt wird und nicht, so
ein armer Loser, der braucht echt noch Windeln.“
Andreas musste unwillkürlich lächeln. Nur sie machte sich solche
Gedanken über andere, denen es gerade nicht gut ging. Das war noch eine
Eigenschaft, wegen der er sich in sie verliebt hatte.
Lisa erwiderte sein Lächeln. „Oh Gott ich bin echt froh, dass du es mir
nicht übel nimmst,“ sagte sie schließlich, stand auf und umarmte ihn
nochmals. Dieses Mal war er darauf gefasst gewesen und konnte seine Arme
um ihre Hüften legen. „Von mir aus könnten wir ewig so stehen bleiben,“
dachte er für sich. Und die Umarmung dauerte auch recht lange, doch
schließlich löste sich Lisa von ihm und meinte: „Äh könntest du nur das
Fenster wieder zu machen? Es ist eiskalt da draußen.“
„Ja klar!“
„Also, dann ist ja alles wieder gut oder,“ fragte sie ihn unschuldig.
„Alles bestens!“
„Dann kannst du ja morgen wieder in die Schule kommen?“
„Was?“
„Na in die Schule. Du hast jetzt schon so viel verpasst, dass ich
fürchte die Weihnachtsferien werden nicht ausreichen, das nachzuholen.“
„Da kommt es auf einen Tag mehr auch nicht mehr an. Und wieso sollte
ich? Damit mich alle anderen wieder auslachen können und ich den
Englisch-Test in den Sand setze?“
„Oh das weißt du ja noch gar nicht! Frau Berthold ist krank geworden und
hat deshalb beschlossen, den Test bis nach den Ferien zu verschieben.“
„Klasse. Trotzdem geh‘ ich nicht!“
„Ach komm schon, irgendwann wirst du dich den anderen sowieso stellen müssen. Es wäre doch besser jetzt, als nach den Ferien.“
„Wie kommst du drauf? Die werden mich doch so oder so auslachen und wenn
ich morgen hingehe ist’s nur ein Tag mehr an dem ich ihnen ausgeliefert
bin.“
„Mag sein, aber wenn du jetzt noch vor den Ferien in die Schule gehst,
zeigt das auf jeden Fall mehr Mut, als nachher. Und wenn sie sich doch
eh auf jeden Fall über dich lustig machen, dann kann es dir doch auch
egal sein wann, oder?“
„Du verstehst das nicht.“
„Was verstehe ich nicht?“
„Gar nichts..“
„Denkst du etwa du bist der einzige, der auf Windeln angewiesen ist?“
„Nein, aber...“
„Eben! Es gibt sicher Tausende von Menschen, die tagtäglich gewickelt in
die Schule oder zur Arbeit gehen. Und die haben sich auch alle mal dem
ersten peinlichen Moment stellen müssen. Sieh es doch ein, du kannst
dagegen nichts unternehmen. Früher oder später wirst du wieder in die
Schule gehen müssen, wenn du deinen Abschluss schaffen willst. Hast du
mir nicht schon oft genug erzählt, dass du später studieren und einen
angesehenen, gut bezahlten Job haben willst? Das wirst du dir doch nicht
wegen deiner Windeln und diesen hirnlosen Systemaffen von Freunden
kaputt machen lassen oder?“
Ihr Blick traf ihn. Diesmal war er es, der dem nicht Stand halten konnte und versuchte auszuweichen.
„Oder,“ wiederholte sie ihre Frage.
Er wusste nichts mehr weiter zu sagen. Ihre Argumente waren hieb- und
stichfest, denn sie hatte Recht. Einzig und allein er traute sich nicht
in die Schule zu gehen. Er hatte Angst! Und er schämte sich dafür!
Das wusste auch Lisa, die immer noch auf eine positive Antwort auf ihre
Ansprache wartete. Doch als sie merkte, dass diese nicht kommen würde,
sah sie ihn enttäuscht an. „Ich dachte du wärst anders, “ sagte sie
leise und wandte sich zum Gehen ab.
Doch als sie schon halb bei der Tür war, hielt Andreas sie nochmals
zurück: „Warte! Es stimmt. Alles was du gesagt hast. Aber ich weiß
einfach nicht, ob ich den Mut aufbringen kann, da wieder alleine in
Windeln hineinzugehen. Seit man mich auf dem Eis so ausgelacht hat,
kommt es mir so vor, als ob damit ein Teil von mir, der ganz kämpferisch
und ehrgeizig allem entgegentritt, zerstört wurde. Und ich glaube
nicht, dass ich den zurückkriegen könnte, indem man mich nochmal
auslacht.“
„Aber was willst du sonst machen? Willst du den Rest deines Lebens in
deinem Zimmer verbringen, damit du ja niemanden mehr triffst, der dich
wegen deiner Inkontinenz auslacht? Tut mir Leid, aber das ist wirklich
armselig. Über diejenigen die dich durch den Kakao ziehen sollte man
lachen! Du leidest unter einer Krankheit, von denen sie alle nicht
betroffen sind. Sie haben keine Ahnung, was das bedeutet und sie werden
sich auch nie Gedanken darüber machen. Das ist kindisch und dumm! Und
das bist du nicht! ... Zumindest dachte ich das bis jetzt...“
„Glaubst du denn mir macht das nichts aus? Mein Kampfgeist war ein Teil
von mir und jetzt ist er weg,“ entgegnete Andreas ihr aufgebracht.
„Sagt wer? Das behauptest nur du. Er ist immer noch da, er war nie weg,“
meinte Lisa ruhig. Andreas wirkte sehr durcheinander, beinah schon
hilflos. Er stand sich selbst im Weg. Er war verzweifelt und kämpfte mit
den Tränen. Lisa ging ein paar Schritte auf ihn zu, bis sie direkt vor
ihm stand. Sie hob ihren rechten Arm und berührte mit ihrer Hand seine
linke Wange. Er schaute ihr wieder in die Augen.
„Geh morgen in die Schule, versprich mir das.“
„Aber ich...“
„Nichts aber,“ unterbrach sie ihn entschlossen: „Du kannst das, ich weiß
es. Und außerdem verspreche ich dir, die anderen werden eine gehörige
Überraschung erleben. Das willst du doch sicher nicht verpassen oder?“
„Was für eine Überraschung?“
„Das wirst du nie rausfinden, wenn du hier in deinem Zimmer bleibst,“
antwortete sie geheimnisvoll und nahm ihre Hand wieder von seinem
Gesicht weg. Sie lächelte ihn wieder an. Diesem Lächeln wäre er
überallhin gefolgt!
Dann wandte sie sich wieder ab und verließ sein Zimmer. Wenige
Augenblicke später sah er ihr vom Fenster aus nach, wie sie mit
selbstsicherem verschwand.
„Was hat sie nur mit der Überraschung gemeint,“ fragte er sich.
Fortsetzung folgt...
LG Rotfuchs
=> Eine schöne Bescherung Teil 1
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=> Gruppe Windelgeschichten von Rotfuchs <=
Vielen Dank für die Geschichte! Lg Windelistvoll
Sehr gut, klasse geschrieben
AntwortenLöschenSuper geschrieben, klasse
AntwortenLöschenSuper geschrieben, klasse
AntwortenLöschenKlasse weiter so!
AntwortenLöschenSuper Geschichte ! Einfach MEGA, die könnte man glatt verfilmen. Ich kann mir das bildlich vorstellen. Mal überlegt die als Buch rauszubringen? Wäre glaube ich keine schlechte Idee wenn Sie fertig ist.
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