3 Stunden später // 17 Uhr
Ich saß im Auto meiner Mutter auf dem Weg nach Hause und
dachte über den Augenarzttermin nach. Es war eingetreten, was ich
befürchtet hatte. Der Augenarzt hatte bei mir eine Sehschwäche
festgestellt. Ich würde also eine Brille bekommen.
Am nächsten Morgen konnte ich endlich mal wieder richtig
ausschlafen. Also schlief ich bis 9 Uhr durch. Als ich dann schließlich
aufstand, war meine Windel natürlich trotz der Einlage am Limit
(ich hatte mir offenbar wieder in die Windel gemacht, ohne
es zu merken), weshalb ich als erstes meine Mutter zum
Windelwechseln rief.
Gerade wollte ich mich darüber freuen, wie prima jetzt doch alles
geworden war, als ich an der Tür ein leises Klopfen vernahm. Und
eine Mädchenstimme, die sagte:
„Hallo! Ich bin‘s, Sara. Kann ich reinkommen?“
„Herein!“, rief ich laut und dachte erstaunt: Komisch, das war
irgendwie gar nicht der Stil meiner Schwester. Anklopfen tat sie nie
und die Frage „Kann ich reinkommen“ war eine Frage, die ich sie
noch nie hatte, sprechen hören.
Als meine Mutter endlich aus dem Haus war, holte ich zuerst mal
all die vollen Windeln, die ich hinter meinem Kleiderschrank
versteckt hatte, heraus und räumte sie alle in den Windeleimer, den
meine Mutter wie angekündigt vor mein Badezimmer gestellt hatte.
Irritiert saß ich auf der Decke, nuckelte genüsslich an meinem Fläschchen und versuchte das eben Passierte zu verarbeiten.
Meine Pasta zuckte in meiner schon benützten Windel, bis mich Mama fragte, ob wir nochmal schwimmen gehen würden.
12 Stunden später // Mitternacht
Ich lag in meinem Bett und schlief. Doch mein Wecker schlief nicht.
Seine Zeiger bewegten sich langsam und kamen dem roten Zeiger,
mit dem die Uhrzeit, zu der das Gerät mich aus dem Schlaf reißen
wollte, markiert war, immer näher. Die Stunden, die ich in dieser
Nacht schlafen würde, waren gezählt.
…Kaum war Mama aus dem Badezimmer
verschwunden zischte das Pipi in die Windel. Sekunde um Sekunde
verstrich, während ich immer noch auf dem Wickeltisch saß und
zusah, wie meine Windel sich mehr und mehr spannte. Anfangs spürte
ich wie immer gar nichts, erst langsam verteilte sich die Nässe
etwas in der Windel.
Ein lauter Knall. Noch ein Knall! Zerbrechendes Glas. Fliegende
Glassplitter. Sich öffnende Airbags. Sirenen, die laut losschrillten.
Dann entsetztes Schreien.
Ich hatte es ja gesagt. Der Busfahrer war viel zu schnell gefahren
und jetzt an einer Kurve mit Karacho in einen Kleinwagen gerast.
Wir hatten einen Unfall gebaut.
Es war nicht wirklich weit bis zum Kino – trotzdem schämte ich mich in Grund und Boden. Es kam mir wirklich zu Gute, dass ich nie mit anderen Kindern spielen durfte oder viel an der Öffentlichkeit war. Ich sah wirklich aus wie ein Mädchen – mit kurzen braunen Haaren, aber das war inzwischen ja nichts Ungewöhnliches mehr.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war natürlich mein erster
Gedanke: „Ist sie nass? Habe ich mir über Nacht eingenässt?“ Da
dem leider immer noch nicht der Fall war, holte ich das gleich mal
nach und ließ meinem Pipi freien Lauf. Langsam bahnte es sich
seinen Weg in die immer nasser werdende Windel.